Zu allererst: Kritik, also ehrliche, detaillierte und damit vor allem begründete Kritik ist auf jeden Fall etwas Gutes. Sie hilft einem weiter, man wird besser, wenn man die richtigen Dinge
beherzigt. Woher weiß man aber, was man von der Kritik glauben soll und was man davon nicht unbedingt beachten muss, weil es doch wieder ein Fall von Geschmackssache ist? Tja, das ist nicht so
leicht, glaube ich. Gelegenheiten Kritik zu bekommen gibt es jedenfalls viele. Schriftliche Rezensionen, mündliche Meinungen, Betaleser, Leserunden auf Lovelybooks oder natürlich bei
Schreibseminaren und Workshops.
Vielleicht muss man zuerst einmal gucken, von wem kommt da die Kritik und wie klingt es? Wenn es sich anhört, als habe der Leser einfach nur Frust abgelassen oder gedankenlos geschrieben, dass er
das Buch nicht mochte ohne jegliche Erklärung wieso, ist es möglicherweise einfach klüger es zu ignorieren oder das zumindest zu versuchen. Wenn es eine Begründung gibt, warum etwas nicht
gefallen hat und dann auch noch genau beschrieben wird, woran es genau gehapert hat, dann macht es schon eher Sinn es sich einmal anzugucken und zu überlegen: finde ich das auch? Oder finden das
andere auch? Wenn natürlich zehn Leute genau das gelobt haben, was einem absolut sauer aufstößt, dann ist es wohl ganz klar ein Fall von persönlicher Meinung. Und dabei muss man bedenken: man
kann es nicht jedem recht machen. Es gibt zu viele unterschiedliche Meinungen, was an Büchern toll ist oder eben nicht. Wichtig ist am Ende, dass man hinter seinem eigenen Buch stehen
kann.
Dann gibt es die "professionellen" Meinungen und das sind definitiv die, die man sich zu Herzen nehmen sollte (da natürlich auch nicht alle gleichermaßen). Bisher bin ich zum Beispiel bei vier
Seminaren an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel gewesen. Mein erstes dort war ein Basiskurs zum "Schreiben mit allen SInnen". Bei diesem ersten Seminar hatte ich eine Szene
aus meiner Nacht der Elemente, der Mondtochter, mit (mittlerweile gibt es die Szene im Buch übrigens nicht mehr, aber das hatte andere Gründe). In den meisten Seminaren darf also der Autor
erstmal seinen Text vorlesen und dann darf jeder andere Kursteilnehmer und natürlich auch die Kursleiter etwas dazu sagen. Bezogen auf das Thema des Kurses, in dem Fall also etwas zu den
Sinneseindrücken. Aber es werden auch allgemeine Dinge angesprochen, wie zum Beispiel Perspektive, Figuren, Logik und Erzählstimme. Es gibt also ziemlich viel Kritik, weil die Seminare erstens
dazu da sind, dass man etwas lernt und weil einem Fehler bei fremden Texten viel eher auffallen als bei den eigenen. Zum Glück gab es viel konstruktive Kritik und auch das ein oder andere Lob.
Aber in allen Seminaren, in denen ich bisher war, überwog die Kritik an den mitgebrachten Texten und zwar an allen. Wenn man genau darüber nachdenkt ist das ja auch sinnvoll so, was bringt es
einem, wenn alle sagen: Hey, guter Text, brauchst du nicht zu ändern. Dann hat man ja nichts gelernt und es gibt wirklich an fast jedem Text etwas, was man noch verbessern könnte. Natürlich muss
man dabei seinem Stil und seinem eigenen Geschmack treu bleiben. Am Ende steht schließlich immer noch der eigene Name oder das eigene Pseudonym vorne drauf und man sollte mit den Änderungen, die
man vornimmt, einverstanden sein, sie nachvollziehen können und gut finden.
Bei diesem ersten Seminar fand ich es jedenfalls noch sehr schwer mit Kritik umzugehen. Meine Gedanken schwankten zwischen: "Oh nein, es ist alles Mist, ich muss das komplette Ding neu schreiben" und "Natürlich ist mein Text gut, deiner gefällt mir auch nicht. Geschmackssache." Und nach dem Seminar habe ich das Manuskript für eine Weile weggelegt und erst etwas Neues geschrieben. Nach und nach sackten dann die Tipps und mit ein bisschen Distanz konnte ich endlich aussortieren, mit welchen Punkten ich arbeiten wollte, was mir sinnvoll erschien und was ich trotzdem so lassen wollte.
Im Nachhinein waren alle Tipps irgendwie hilfreich und wertvoll, manche etwas mehr als andere. Das Gute ist ja: mit der Zeit lernt man einfach besser mit Kritik umzugehen. Die nächsten Seminare
in Wolfenbüttel zum Beispiel haben mich nicht mehr so sehr aus der Bahn geworfen, ich habe mir Notizen gemacht von den Anmerkungen der anderen und dann irgendwann später in Ruhe am Text
weitergearbeitet. Trotzdem gibt es immer wieder Tage, an denen man denkt: Oje, so schlecht? Da hilft es dann vielleicht sich noch einmal vor Augen zu halten, was für positive Meinungen es gegeben
hatte. Und zu differenzieren: vielleicht ist das hier auch nur der persönliche Geschmack des Lesers. Manchmal lese ich mir dann andere Rezensionen desjenigen durch, dem mein Roman nicht gefallen
hat. Dann kann man sich ein besseres Bild machen, ob derjenige vielleicht immer wahnsinnig streng rezensiert zum Beispiel. Auf alle Fälle hilft es auch darüber zu reden. Manchmal sind andere
total erstaunt, wenn man meint, dass etwas am eigenen Text gar nicht gut ist, weil sie genau das mögen. Am besten man redet mit lieben Kollegen, die auch alle schon mal mindestens eine schlechte
Rezension oder eine blöde Bemerkung zu ihren Texten bekommen haben und von denen man immer denkt: Was? Das kann ich gar nicht glauben. Du schreibst doch total klasse!